Luther, der Narr
Der expressive Holzschnitt prangt als Titelbild auf der 1522 gedruckten Flugschrift Von dem grossen Lutherischen Narren wie in doctor Murner beschworen hat. [et]c. Verfasser ist der aus dem Elsass stammende Franziskanerpater Thomas Murner (1475–1537), der zu den entschiedenen Gegnern Luthers und der Reformation gehörte. Sein umfangreiches, satirisches Versepos ist in einem volkstümlichen Idiom verfasst und in vierhebigen Jamben und Paarreimstruktur komponiert. Die satirische und polemische antireformatorische Kampf- und Propagandadichtung, die ihre Gegner lächerlich machen will, enthält fiktive monologische sowie dialogische Passagen zwischen Murner und Luther, wobei letzterer aber nicht mit dem nach ihm benannten lutherischen Narren gleichzusetzen ist. Zum Teil rutscht die Darstellung mit den burlesken Zügen in respektmanierliche, vulgäre Tiefen, so etwa die Schilderung von Luthers Ende im „scheißhus“. Im Titelholzschnitt personifiziert das Narrenungetüm die lutherische Lehre. Den Katzenkopf hat sich Murner in einem Akt feiner Selbstironie eigenmächtig aufgesetzt. Die graphische Repräsentation der emotional aufgeladenen Auseinandersetzung um den rechten Glauben und die überkommenen Obrigkeiten eskaliert wie die theologische Kontroverse selbst ins Grobianische.