Luther und Luzifer? Das scheint in den Augen gegenreformatorischer Hetze nicht weit voneinander entfernt. Luthers Gegner sehen ihn als Verbündeten, ja sogar als Kind des Teufels. Dies diente zur scharfen und strikten Abgrenzung und zugleich zur Stärkung der eigenen Konfession. Die Diffamierung der protestantischen Lehren bindet sich dabei eng an die Person Luthers, die durch solche Vereinnahmungen immer wieder ins Zentrum interkonfessioneller Spannungen gerückt wird.
Von gegenreformatorischer Seite wurde Luther bezichtigt, mit Teufeln im Bunde oder der Antichrist selbst zu sein. Katholische Predigten spielten das Teuflische, das sie im Reformator, in seinen Mitstreitern und in der evangelischen Kirchenbildung am Werk sahen, in praktisch allen Bereichen religiösen Lebens durch. Gleichsetzungen Luthers mit dem Teufel blieben allerdings die Ausnahme. Um Luther zu degradieren, konnte er nur als ein Instrument des Teufels gelten. Häufiger wurde der Reformator daher von seinen Gegnern als Verbündeter oder Kind des Teufels dargestellt.
Er war der, der sich durch hoffärtiges Festhalten an einer häretischen Lehre und durch den Ungehorsam gegenüber der wahren Kirche Christi den Einflüsterungen des Teufels selbst ausgeliefert hatte.
All diese ‚Verteufelungen‘ Luthers dienten dabei vornehmlich der Herstellung von Alterität, der Markierung einer strikten Differenz. Haupt-Adressaten waren nicht die Parteigänger Luthers, sondern die Anhänger des Papstes selbst. Man plakatierte die schrecklichen sozialen Folgen der Häresie nicht ohne Blick auf die eigene Klientel: Martin Luther zu verteufeln hieß auch, den Aufbau einer katholischen Konfessionsidentität zu fördern und die eigenen Gläubigen durch Abgrenzung vom Bösen zu mobilisieren.
Der Franziskaner Thomas Murner (1475–1537) gehört zu den geistreichsten und humorvollsten Gegnern von Luther und der Reformation. Die reich bebilderte Satire handelt von der versuchten Beschwörung bzw. Heilung des „großen Lutherischen Narren“. Dieser Narr, dem auf dem Titelholzschnitt die Dämonen aus dem Leib herausgewürgt werden, steht für die Reformationsbewegung. Luther selbst taucht in der Geschichte ebenfalls auf, stirbt aber und wird im Abort beerdigt. Nach seinem Tod geht auch der „Narr“ zugrunde – eine Prognose, die sich nicht erfüllt hat.
Auf die protestantische Bildpropaganda reagierte die altgläubige Partei mit gleichermaßen prägnanten Gegenbildern. Ein häufiges Motiv war Luther in Verbindung mit dem Teufel oder dessen Dämonen. Vor allem der Theologe Petrus Sylvius (1470–1547) wurde nicht müde, Luther als Ausgeburt und Sprachrohr der Hölle darzustellen. In diesem Traktat unterstellt er Luther einen Pakt mit dem Teufel, um deutlich zu machen, woher dessen Ideen stammten und wohin sie führen würden. Der Titelholzschnitt unterstreicht diese Botschaft: Mit Handschlag beschließt Luther den Pakt, während ihm ein ohrenbläserischer Dämon einflüstert.
Der Gelehrte Johannes Cochlaeus (1479–1552) hegte zunächst Sympathien für Luthers Forderungen, wurde dann aber zu einem seiner schärfsten Gegner. Mit dem siebenköpfigen Ungetüm reagierte Cochlaeus auf die vielfältigen Rollen, die der Reformator in der prolutherischen Propaganda einnahm: (v.l.n.r.) der Doktor der Theologie, der (ehemalige) Mönch, der Falschgläubige (repräsentiert durch einen Osmanen), der populistische Priester, der verwirrte Schwärmer, der Kirchenvisitor (als Figur der Amtsanmaßung), der gewalttätige Aufwiegler.
Die Schrift gilt heute als einer der berühmt-berüchtigtsten Texte des Reformators. Luther fordert darin u. a. die jüdischen Kulträume (Synagogen) abzubrennen, die jüdische Literatur unter Einschluss des hebräischen Alten Testaments zu vernichten und Zwangsarbeit einzuführen. Diese und andere sogenannte Judenschriften Luthers erfuhren ab dem späten 19. Jahrhundert zunehmende Aufmerksamkeit, die ihren Höhepunkt in der rassistischen Publizistik des ‚Dritten Reiches‘ erreichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Luthers antisemitische Äußerungen zur Grundlage einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Reformator.
In seinen Centurien übte der Franziskaner Johann Nas (1534–1590) satirische Kritik an der protestantischen Lehre und der Lutherverehrung. Auch dass die protestantischen Propagandisten „Luther malen heilig“, erregte seinen Unmut. Nas parodierte daher ein Lutherporträt, das einige Jahre zuvor auf Titelblättern von Cyriacus Spangenbergs (1528–1604) Lutherpredigten erschienen war. Was dort ein Heiligenschein ist, wird in Nas’ Adaption zum Schein des Mondes, dessen beiden Sichelenden als Hörner an Luthers Kopf erscheinen und das ‚teuflische Wesen‘ des Reformators offenbaren.
In Johann Nas’ (1534–1590) satirischem Dialog tritt ein Luther auf, der nachts vertrauliche Disputationen mit dem Teufel führt. Sein Gesprächspartner, ein Bauer, beklagt wortreich den wirtschaftlichen und moralischen Niedergang seit der Reformation. Dem kann Luther nichts als herablassende und dünkelhafte Phrasen entgegensetzen, was der Bauer wiederum mit einer Verballhornung der bekanntesten Reformatoren beantwortet.
Das Blatt verspottet die protestantischen Geistlichen, die im Zuge der Rekatholisierung aus Böhmen und Mähren vertrieben wurden. Ein großes Nuppenglas in der Linken, den gewaltigen Bauch auf einer Schubkarre fahrend, wird Luther als dem Alkohol und der Völlerei ergeben gezeigt. Schilderungen eines angeblich lasterhaften Lebenswandels Luthers waren ein wichtiges Instrument der antilutherischen Propaganda. Diese Darstellung bediente sich bekannter Motive der Moralsatire, die den dickleibigen Trinker als Verkörperung der Völlerei zeigen.
Dieses bislang unbekannte Blatt zeigt einen seltenen Fall überkonfessioneller Kritik. Die Bildinschrift verweist offenbar auf das „Augsburger Interim“. Das 1548 erlassene kaiserliche Gesetz sollte die Übergangszeit bis zur Rückführung der Protestanten in die römische Kirche regeln. Zu sehen sind Luther und der Papst, wie sie gemeinsam eine Kirche zersägen. Auf diese Weise kritisiert die Darstellung die im Augsburger Religionsfrieden von 1555 fixierte Trennung der Konfessionen. Die Schuld an der Kirchenspaltung, so mahnt das Blatt, liegt bei allen Beteiligten gleichermaßen.
Der Holzschnitt präsentiert einen „Ketzerbaum“, dessen Stamm ein monströser siebenköpfiger Luther bildet. Die Verse unterhalb des Bildes benennen das übrige Personal: Es handelt sich um vorlutherische Ketzer vom Brudermörder Kain bis Jan Hus sowie um Protagonisten der reformatorischen Bewegung (Calvin, Müntzer, Zwingli u. a.). Der Rückgriff auf das Schema des Stammbaums erlaubte es, zum einen die Aufspaltung des Protestantismus in zahlreiche widerstreitende Glaubensgemeinschaften zu veranschaulichen. Zum anderen ließ sich auf diese Weise Luther als zentrale Gestalt und Hauptverantwortlicher der aktuellen Ketzergeschichte behaupten.
Die katholischen Verteufelungen Luthers provozierten Gegenreaktionen der Protestanten. Diese als Nachricht („Zeitung“) ausgegebene Geschichte berichtet von einer Theateraufführung im Jesuitenkolleg von Molsheim (Elsass). In dem Stück sollte Luther, der bereits in die Hölle gekommen war, wegen fortgesetzter Unruhestiftung von einem Teufel zerrissen werden. Während der Aufführung sei aber ein echter Teufel erschienen und habe stattdessen den Schauspieler zerrissen, der den Teufel darstellte. Dass somit Luthers Ruf und Ehre durch den Teufel selbst geschützt wurden, erschien indes schon zeitgenössischen Kritikern widersprüchlich.
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