Luther wurde schon zu Lebzeiten in Bild und Schrift zum Heiligen (v)erklärt. Und das trotz seiner eigenen scharfen Kritik an der Heiligenverehrung. Zahlreiche Quellen belegen, wie der ehemalige Augustinermönch zum Propheten stilisiert wurde, einen Heiligenschein erhielt und Teile seine Besitztümer als Reliquien verehrt wurden.
Zum Heiligen kann man sich nicht selbst ernennen, dazu wird man gemacht. Martin Luther ist eine historische Person, an der sich der Prozess der Sakralisierung nachvollziehen lässt. Ungeachtet Luthers eigener Kritik an der Heiligenverehrung wurde er selbst noch zu Lebzeiten, vor allem aber nach seinem Tod 1546 in Schrift und Bild zum Heiligen: So wird Luther als Gesandter Gottes beschrieben, als prophetisches Instrument, das die in die Finsternis geführte Menschheit befreit.
Auch die ikonischen Lutherbilder der Cranach-Schule stilisierten den ehemaligen Augustinermönch zum Propheten. Wunderberichte über die unversehrt aus Feuersbrünsten hervorgegangenen Luther-Porträts und -Bibelausgaben bestätigen die konfessionelle Legendenbildung um Luther. In der Engführung von Vorbildlichkeit und Heiligkeit stand Luther im Rampenlicht eines neuen hagiographischen Kanons. Die Person Luther war und blieb als Instrument konfessioneller Identität unentbehrlich. Ihn als Heiligen zu inszenieren, war eine unablässige Praxis.
Der Wurf des Tintenfasses auf den Teufel gehört zu den bekanntesten Legenden über Luther. Die wohl erst im späten 17. Jahrhundert entstandene Geschichte bestätigte das Bild vom kämpferischen Reformator, der es sogar mit dem Teufel aufnahm. Das angeblich aus Luthers Besitz stammende Tintenfass zeigte man seit dem frühen 18. Jahrhundert Besuchern der Wolfenbütteler Bibliothek. Die Beschädigung an der Unterseite wurde dabei als Folge des Wurfes gedeutet.
Die erste Veröffentlichung Luthers – eine lateinische Ausgabe des Buchs der Psalmen – ist nur in diesem einen Exemplar überliefert. Es handelt sich zugleich um Luthers Handexemplar, das durchgängig mit Anmerkungen versehen ist. Schon im 16. Jahrhundert wurde das Buch als Objekt der Luthermemoria mit Bildnissen des Reformators versehen. 1640 erwarb es Herzog August d. J. (1579–1666) für die Wolfenbütteler Bibliothek. In doppelter Weise Zeugnis des vorreformatorischen Luther wurde der Psalter 2015 in die Liste des UNESCO-Weltdokumentenerbes aufgenommen.
Handschriften Luthers wurden schon früh wie Reliquien behandelt. Der Ulmer Patrizier Hans Ulrich Krafft (1550–1621) klebte Autographen von Luther (oben) und Philipp Melanchthon (unten) in den Vorderdeckel seiner Familienbibel. Daneben notierte er Angaben zu deren Erwerb und fügte ein von Johann Sadeler radiertes Porträt Luthers hinzu. Die hohe Wertschätzung für Schriftproben des Reformators verdankte sich dabei auch der lutherischen Fokussierung auf das (göttliche) Wort.
Seit dem 16. Jahrhundert entwickelte sich ein Markt für Luthers Briefe und seine handschriftlichen Widmungen, die zu begehrten und verehrten Sammlungsobjekten geworden waren. Über den Nachlass des Theologen Johannes Aurifaber (um 1519–1575), der mit großem Eifer Handschriften Luthers zusammengetragen hatte, gelangten zahlreiche Briefe in die herzogliche Bibliothek von Wolfenbüttel. Einige erhielten dort bereits im 17. Jahrhundert einen eigenen Schaukasten.
Seit dem frühen 18. Jahrhundert wurde Besuchern der herzoglichen Sammlung dieser Löffel als „Rarität von Luthero“ präsentiert. Für die Herkunft aus Luthers Besitz sprach die Gravur im oberen Teil der Laffe: Luthers Initialen sowie das abgekürzte Motto „Verbum Domini Manet | In Æternum Amen“ (das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit, Amen). Allein die Jahreszahl 1557 bereitete der Zuschreibung Schwierigkeiten, denn zu diesem Zeitpunkt war Luther bereits seit 11 Jahren tot. Gleichwohl besaß der Löffel im protestantischen Milieu einen hohen Wert, erinnerte er doch an das gemeinschaftliche Speisen Luthers und seiner Anhänger.
Der Legende nach wurde dieser Doppelring von Albrecht Dürer (1471–1528) für das Ehepaar Luther gefertigt. Während eine Verbindung des Rings zu Luther heute stark angezweifelt wird, gehörte er im 18. Jahrhundert zu den weithin bekannten ‚Lutherreliquien‘ der Universität Helmstedt. Das große Interesse für den Ring beruhte neben der allgemeinen Verehrung des Vorbesitzers auch darauf, dass er ein Zeugnis von Luthers Befürwortung der Priesterehe darstellte.
Luthergläser und -becher gehören zur verbreitetsten Art von ‚Reliquien‘ des Reformators: Mehr als 15 sind heute bekannt. 1680 erhielt Herzog Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel (1627–1704) dieses Glas zum Geschenk. Ursprünglich soll es Luther seinem Freund und Weggewährten Justus Jonas (1493–1555) verehrt haben. Wie Luthers Löffel unterstreicht auch das Glas das Bild des Reformators als geselliger Tischgenosse. Überdies betonen bereits Anekdoten aus dem 16. Jahrhundert den Zusammenhang von persönlicher Trinkfestigkeit und starkem Glauben.
Erst 1979 wurde dieses angebliche Stück von Luthers Chorrock in den Beständen der Herzog August Bibliothek (wieder-)entdeckt. Seine Vorgeschichte in der Sammlung und seine Herkunft sind unbekannt. Überhaupt sind – vermeintliche oder tatsächliche – Kleidungsreste Luthers selten. Als Rarität erkannt, wurden dieses und ähnliche Stücke als Ausstellungobjekte Teil des musealen Lutherkults.
Luthers Tod am 18. Februar 1546 wurde von Zeugen minutiös geschildert – von der Abnahme einer Totenmaske berichten sie jedoch nicht. Gleichwohl sind seit dem 17. Jahrhundert mehrere Exemplare bekannt, von denen wiederum im 19. Jahrhundert weitere Abgüsse für den Handel hergestellt wurden. Sehr lange galten sie als authentische Abbilder des Reformators. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterzog man sie einer rassekundlichen Echtheitsprüfung. Im Abgleich mit Cranach-Porträts des Reformators wurde anschließend eine „gereinigte“ Neufassung erstellt.
Vorlage für den Kupferstich war das gemalte Totenbildnis von Lucas Cranach d. J. (1515–1586), der für die Gesichtspartie wiederum auf eine Zeichnung von Lukas Furtenagel (1505–nach 1546) zurückgriff. Furtenagel hatte im Februar 1546 direkt am Totenbett gezeichnet. Sein Bild des Reformators verbreitete sich in zahllosen Kopien und war möglicherweise auch Vorbild für Luthers Totenmaske.
Im April 1521 trat Luther vor den Reichstag zu Worms, wo er seine Schriften widerrufen sollte. Für die Schilderung der Vorgänge – aus lutherischer Sicht –, schuf Hans Baldung Grien (um 1484–1545) dieses Porträt nach einem Kupferstich von Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553). Während die Darstellung Luthers im Habit der Augustinermönche weitgehend der Vorlage folgt, fügte Baldung einen Heiligenschein und die Taube, Symbol des Heiligen Geistes, hinzu. Dabei bezog die ‚Heiligsprechung‘ im Bild deutlich Opposition gegen die Verurteilung Luthers als Häretiker durch Papst und Kaiser.
Die lutherische Bildpropaganda zeigte Luther in verschiedenen, den Zeitgenossen vertrauten Rollen. Es bot sich an, den Reformator in die Nähe von Heiligen und Kirchenvätern zu rücken, ohne jedoch auf allzu spezifische Attribute wie den Heiligenschein zurückzugreifen. Für die Übersetzung des Neuen Testaments schuf Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) dieses Rollenporträt Luthers in der gängigen Ikonographie des Evangelisten Matthäus. Luthers Übersetzung und Vermittlung des Evangeliums werden damit bildlich in die Nähe der von Gott inspirierter Entstehung der Heiligen Schrift gerückt.
Das Flugblatt setzt das protestantische Kampflied Erhalt vns Herr bey deinem Wort ins Bild. Zu beiden Seiten des schablonenkolorierten Holzschnitts stehen Reformatoren und protestantische FürstInnen mit Gefolge. In der Mitte stürzen Vertreter des katholischen Klerus und ein Türke in den Höllenschlund. Luther, an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen gewandt und mit der Hand auf den thronenden Christus weisend, wird hier als Führungsfigur der Erlösung präsentiert. Angesichts der schwierigen Lage der Protestanten nach Luthers Tod und den militärischen Niederlagen im Schmalkadischen Krieg (1546–1547) sollte das Blatt Zuversicht verbreiten.
Im frühen 17. Jahrhundert waren die verschiedenen protestantischen Strömungen untereinander zerstritten. Die erste Hundertjahrfeier der Reformation 1616 sollte auch dazu dienen, wieder Einigkeit herzustellen. Eine wichtige Rolle spielte dabei die öffentliche Erinnerung an Person und Leben Luthers, da dies theologisch weitgehend unverfänglich war. Das Flugblatt beruht auf einem weit verbreiteten Lutherbildnis von Lucas Cranach d. J. (1515–1586). Zu beiden Seiten sind die wichtigsten Stationen aus dem Leben des Reformators aufgeführt. Als römische Zahlen gelesen ergeben die Großbuchstaben das jeweilige Jahr.
Ebenfalls zum ersten Reformationsjubiläum erschien dieses deutschsprachige Flugblatt. Der Text, der die zentrale Lutherfigur flankiert, betont in gefälligen Paarreimen Luthers Rolle als „teutscher Prophet“, der in seinem Leben manche „helden that“ gegen seine Feinde vollbracht habe.
Der kleinteilige Kupferstich folgt der Motivik des Jüngsten Gerichts. Die Scheidung der Erlösten und der Verdammten ist hier auf die Konfessionen gewendet. Auf der rechten Seite sind in ebenso enzyklopädischer wie ungeordneter Fülle die (aus protestantischer Sicht) Verfehlungen der katholischen Kirche in Bild gesetzt, die notwendig in die Hölle führen. Auf der linken Seite hingegen schreitet Luther einer wohlgeordneten Schar Erlöster von der „Pforte des Lebens“ zum Gekreuzigten im Strahlenkranz voran. Am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) beharrt das Blatt auf unüberbrückbaren Differenzen zwischen den konfessionellen Lagern.
Auch für die Repräsentation von Luthers Anhängern wurde auf etablierte Formen der Heiligenerzählung und -darstellung zurückgegriffen. Dieses Flugblatt stellt die Lutheraner in eine Linie mit den Aposteln, den verfolgten Christen in der Antike und den vermeintlichen Ketzern des Mittelalters. Gerade die äußeren Anfeindungen, so das Argument des Blattes, seien ein Beleg dafür, dass es sich bei der lutherischen um die „wahre Kirche“ Gottes handle.
Anlässlich der ersten Zentenarfeier des Thesenanschlags (1617) preist das Blatt Luther und seine Reformation als Erfüllung einer Verkündigung des biblischen Propheten Daniel. Der Kupferstich stellt Luther als apokalyptischen Engel dar, der die Vergehen der römischen Kirche in die Welt hinaus ‚posaunt‘. Der unausweichliche Sturz des Papsttums wird nur mehr notdürftig und zeitweilig von Jesuiten und Mönchen aufgehalten.
Das Flugblatt bringt Luther in doppelter Weise in Stellung: gegen die römische Kirche (vertreten durch Papst Leo X., Priester, Dominikaner und Jesuiten) und gegen Theologen aus dem protestantischen Lager. Unterhalb des thronenden Papstes und gegenüber einer von Melanchthon angeführten Gruppe Wittenberger Theologen steht eine Figur, die den orthodoxen Lutheraner Matthias Flacius (1520–1575) und seine Anhänger repräsentiert. Die Verse unterhalb der Radierung sind Luther selbst in den Mund gelegt und behaupten seine Einigkeit mit Melanchthon gegen die ‚teuflischen‘ Schriften des Flacius.
Das Blatt schildert detailreich eine Traumvision von Luthers Thesenanschlag und der Reformation, die Kurfürst Friedrich von Sachsen (1463–1525) 1517 gehabt haben soll. Dieser Traum, eine vermutlich schon im 16. Jahrhundert entstandene Fälschung, formuliert das protestantische Verständnis von Luther als Werkzeug Gottes: Dessen Stimme befiehlt demnach einem Mönch, an die Tür der Wittenberger Kirche zu schreiben. Seine Feder reicht bis nach Rom und stößt dort dem Papst die Tiara beinahe vom Kopf. Zahlreiche weitere Federn wachsen aus der großen und werden von Anhängern der neuen Lehre aufgegriffen, um die neue Lehre zu verbreiten.
Das zum Reformationsjubiläum 1617 veröffentlichte Blatt bedient sich der Gegenüberstellung von Licht und Finsternis. Mit Fackel und Bibel tritt der Mönch Luther aus der Klostertür. Während ein wasserspeiender Drache – die römische Kirche – sich ihm entgegenstellt und die Fackel zu löschen sucht, befindet sich der Ablasshändler im Hintergrund bereits auf der Flucht. Die Beischrift erläutert, dass Luther dem Volk das Licht des göttlichen Wortes brachte, ohne dass ihn das Papsttum mit Gewalt daran hindern konnte.
Das Schriftporträt Martin Luthers ist im Stil barocker Figurengedichte gehalten. Die Figur Luthers ist erkennbar an Darstellungen der Cranach-Werkstatt orientiert. Gewand und Umrahmung sind aus den Texten der beiden christlichen Glaubensbekenntnisse gebildet. Dieses oder ein vergleichbares Blatt, das der ansonsten unbekannte „Schreib- und Rechenmeister“ Christian Daniel Briegleb aus Gotha angefertigt hat, wurde 50 Jahre später zur Vorlage für Einblattdrucke zum Reformationsjubiläum von 1817.
Luther, König Gustav Adolf von Schweden (1594–1632) und Kurfürst Johann Georg von Sachsen (1585–1656) werden als „unbesiegbare Helden“ im Kampf um „die Wahrheit des göttlichen Wortes“ und die lutherische Bekenntnis (Augsburger Konfession) vorgestellt. Ein Kampf, der mit „Wort, Eisen und Blut“ geführt werde. Von zwei Engeln erhalten die Figuren Lorbeerkränze als Zeichen ihres himmlischen Ruhms. Unterhalb des Bildes finden sich je fünf Wortspalten mit rühmenden Bezeichnungen, deren Anfangsbuchstaben von oben nach unten den jeweiligen Namen bilden.
Wenige Jahre nach der Reformation entstanden an den protestantischen Gymnasien die ersten Schuldramen. Nicodemus Frischlins (1547–1590) Fastnachtskomödie Phasma, 1580 uraufgeführt, gilt als das erste dieser Dramen, das Luther auf die Bühne brachte. Vordergründig handelt es sich um ein zeittypisches Sprechstück, in dem Luther und seine Anhänger ihre Gegner rhetorisch überwinden. Die antipäpstliche Polemik setzte auf eine polarisierende Wirkung. Doch Frischlin bricht dieses Bild, wenn er seinen Protagonisten Zitate aus der antiken Literatur unterschiebt, wodurch ihre scheinbar orthodoxen Aussagen konterkariert werden.
Der lateinische Psalter aus dem Besitz des Wittenberger Philologen Erasmus Schmidt (1570–1637) ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Lutherverehrung im frühen 17. Jahrhundert. Ungelenk kopierte Schmidt ein in zahlreichen Versionen verbreitetes Lutherbildnis aus der Cranach-Werkstatt in den Innendeckel des Buchs. Unterhalb des Porträts schließt sich ein Gedicht in lateinischen Distichen an. Schmidt kopierte dafür ein bereits 1560 gedrucktes Trauergedicht auf Philipp Melanchthon, in das er kurzerhand Luthers Namen einsetzte.
Von keinem anderen Menschen des 16. Jahrhunderts existieren so viele Bildnisse wie von Luther. Verehrung, Heroisierung und Sakralisierung gingen dabei häufig Hand in Hand. Das Newe Betbüchlin ist eine erweiterte Fassung von Luthers Gebetbuch. Auf das Titelblatt wurde ein Holzschnittporträt des Reformators gesetzt. Zusätzlich hat ein Vorbesitzer des 16. Jahrhunderts das Buch in einen Schweinsledereinband mit einem eingeprägten Lutherbildnis binden lassen. Mehr Luther war auf so kleinem Raum kaum möglich.
Das Gebet spielt eine zentrale Rolle in der lutherischen Theologie und Frömmigkeitspraxis. Luthers Betbüchlein (1522) erlebte über Jahrhunderte zahlreiche Neuauflagen und Aktualisierungen. Der Kupferstich in dieser Ausgabe bindet das Buch direkt an die Person des Reformators und konstruiert damit ein Vor-Bild für fromme Leser: Der „andächtig-betende Lutherus“ reckt seine Hände dem über die Bibel ausstrahlenden Licht Gottes entgegen. Das Vorwort, in dem sich der Herausgeber für kurze aber inbrünstige Gebete ausspricht, verbindet sich mit der Darstellung zu einem Plädoyer für eine stark emotionale Form des Gebets.
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