Das Deutsche Literaturarchiv Marbach bewahrt zwei Abformungen der angeblichen Totenmaske Martin Luthers unterschiedlicher Provenienz auf. Die aktuelle Forschung zweifelt jedoch an der Existenz einer authentischen Totenmaske. Sicher ist indes, dass Wachsmaske und Handabgüsse im 17. Jahrhundert wesentlicher Bestandteil einer nach humanistischer Bildtradition und Gelehrtenikonographie montierten und in der Hallenser Marienbibliothek aufgestellten Sitzfigur wurden, die ihrerseits die spätere Lutherikonographie maßgeblich beeinflusste.
Ihr hohes Ansehen, ihren Kultstatus, verdankten Totenmasken durch ihr Versprechen von Naturtreue und Authentizität. Im Rahmen der Herrscher-, Gelehrten- oder Dichterverehrung sollten sie für die Bewahrung des „letzten Gesichts“ ihres Trägers ebenso bürgen wie für eine vermeintlich mit dem letzten Atemzug zur Vollkommenheit gelangte und ins Abgussmaterial eingeprägte Erscheinung seines Genius’. Die Abnahme der Totenmaske diente also mehreren Wünschen zugleich: Sie wollte Physiognomie sicher überliefern, den Geist in seiner körperlichen Manifestation konservieren, den Tod diesseitig lesbar machen und die Memoria des Verstorbenen garantieren. Dass das Antlitz von Martin Luther als Totenmaske überliefert ist, ist Zeichen einer solchen vielgestalten Verehrung.