Ein Sendbrief vom Dolmetschen

Bibelübersetzung als Akkord der Sprachen

Luther setzte seinen sog. Sendbrief vom Dolmetschen während des Augsburger Reichstages 1530 auf, bei dem die Protestanten mit der von Philipp Melanchthon (1497–1560) ausgearbeiteten Augsburgischen Konfession eine Art Manifest ihrer Glaubenslehre vorlegten und gegen die altgläubige Kritik verteidigten. Luther konnte dem nur von ferne, aus der Feste Coburg, beiwohnen und schaltete sich mit seiner Flugschrift öffentlichkeitswirksam in den Streit ein. Der Sendbrief verhandelt seine Übersetzungstätigkeit, konkret das lateinische Wort „Sola“ („Allein“), das Luther zur Verteidigung einer nicht-wörtlichen Übersetzung anführt, wenn sie sich den Gegebenheiten der Zielsprache anpassen will: „Das ist aber die art vnser deudschen sprache“, bekennt Luther. Eine Begründung liefert er mit dem berühmt gewordenen Ausspruch: „man mus nicht die buchstaben jnn der Lateinischen sprachen fragen/ wie man sol Deudsch reden/[…] Sondern man mus die mutter jhm hause/ die kinder auff der gassen/ den gemeinen man auff dem marckt drumb fragen/ vnd den selbigen auff das maul sehen/ wie sie reden/ vnd darnach dolmetschen/ so verstehen sie es denn/ vnd mercken/ das man Deudsch mit jhn redet“. Es greift allerdings zu kurz, sieht man Luthers Übersetzungsabsichten nur als eine Annäherung an die Gemeinsprache des einfachen Volks. Neben der Verständlichkeit liegen seine Verdienste und die seiner Übersetzungshelfer in einem wohldurchdachten Abwägen, der Aufgabe der monopolistischen Geltung der Vulgata und den immer wieder vorgenommenen sorgfältigen Überarbeitungen, für die er die hebräischen und griechischen Urtexte heranzog.